Sulamith
Der Name Sulamith entstammt wahrscheinlich dem Alten Testament, genauer gesagt dem "Hohelied Salomos". Das Hohelied, wörtlich übersetzt "Das Lied der Lieder", d. h. "Das schönste Lied", besingt in einer Folge von Gedichten die Liebe von Mann und Frau, die sich verbinden, sich verlieren, sich suchen und finden. Ähnlich wie das Buch der Sprichwörter und Kohelet gehört es zur Weisheitsliteratur und wird nach der Überlieferung König Salomo zugeschrieben. In der jüdischen Liturgie wurde es die Festrolle für das Paschafest. Als im 1. Jahrhundert n. Chr. in jüdischen Kreisen Zweifel an seiner kanonischen Geltung erhoben wurden, löste man sie durch die Berufung auf die Tradition. Die Kirche hat das Hohelied immer als Teil der Heiligen Schrift betrachtet.
Bei keinem alttestamentlichen Buch klaffen die Auslegungen so weit auseinander wie hier. Neben der neuen Meinung, das Hohelied entstamme dem Kult der Fruchtbarkeitsgöttin Astarte und übertrage den im Alten Orient weit verbreiteten Ritus der heiligen Hochzeit auf die Jahwe-Verehrung, nimmt die Auffassung zu, es handle sich bei diesem Buch um eine realistische Darstellung und Verherrlichung der ehelichen Liebe. Der "Sitz im Leben" wäre dann eine israelitische Hochzeitsfeier. Dafür sprechen die sogenannten Beschreibungslieder (4,1-7; 5,10-16; 7,2-10), die die Schönheit von Braut und Bräutigam preisen.
Älter ist jedoch die allegorische Auslegung: Die Liebe Gottes zu seinem Volk wird dargestellt unter dem Bild der Liebe zwischen Eheleuten. Von den christlichen Schriftstellern wurde später das Hohelied auf die Verbindung Christi mit der Kirche oder auf die mystische Einheit der Seele mit Gott ausgedeutet.
Sulamith - oder wie es in der Einheitsübersetzung heißt - Schulammit ist die Braut, die im Lied besungen wird:
 
"1:5 Schwarz bin ich, doch schön, ihr Töchter Jerusalems, wie die Zelte von Kedar, wie Salomos Decken. [...]

7:1 Wende dich, wende dich, Schulammit! Wende dich, wende dich, damit wir dich betrachten. Was wollt ihr an Schulammit sehen? Den Lager-Tanz!
7:2 Wie schön sind deine Schritte in den Sandalen, du Edelgeborene. Deiner Hüften Rund ist wie Geschmeide, gefertigt von Künstlerhand. [...]

7:6 Dein Haupt gleicht oben dem Karmel; wie Purpur sind deine Haare; ein König liegt in den Ringeln gefangen. [...]

8:6 Leg mich wie ein Siegel auf dein Herz, wie ein Siegel an deinen Arm! Stark wie der Tod ist die Liebe, die Leidenschaft ist hart wie die Unterwelt. Ihre Gluten sind Feuergluten, gewaltige Flammen."


In der Todesfuge wird Sulamith als namentliche Repräsentantin der (jüdischen) Opfer aufgeführt und erhält damit eine Parallelstellung zu Margarete, die als namentliche Repräsentantin der (deutschen) Täterseite fungiert, obgleich ihre Rolle in der Todesfuge uneindeutig bleibt.