Paul Celan eigentlich Paul Antschel, auch: Anczel, (1920-1970), Lyriker und Übersetzer. Mit Lyrikbänden wie Mohn und Gedächtnis (1952), Atemwende (1967) und Fadensonnen (1968) avancierte er zum bedeutendsten Vertreter der dichterischen Avantgarde innerhalb der deutschen Literatur der Nachkriegszeit.
Celan wurde am 23. November 1920 als Sohn deutschsprachiger Juden in der rumänischen Stadt Czernowitz (heute Tschernowzy) geboren. 1934 musste er das dortige Oberrealgymnasium wegen zunehmender antisemitischer Übergriffe verlassen. Während dieser Zeit vertrat Celan einen kommunistischen Standpunkt in der Nachfolge Gustav Landauers. Nach 1938 studierte er Medizin im französischen Tours, dann Romanistik in Czernowitz. Nach dem Einmarsch deutscher Truppen in die Stadt wurde Celan 1941 zur Zwangsarbeit rekrutiert, zuletzt im Straßenbau. Ein Jahr später mussten seine Eltern ins Arbeitslager Michailowka und kamen ums Leben (Typhustod des Vaters); vor allem die Hinrichtung der Mutter durch Genickschuß wurde später immer wieder zum Bezugspunkt des eigenen Schreibens. Celan selbst war bis 1943 ebenfalls im Arbeitslager interniert. Nach einem kurzen Studium der Anglistik fand er 1945 Beschäftigung als Lektor und Übersetzer bei einem Verlag in Bukarest. Während dieser Zeit kam er mit Rose Ausländer in Kontakt und veröffentlichte erste Gedichte in der Zeitschrift Agora. Auch eine Kafka-Übersetzung entstand.
1947 verließ Celan das vom Stalinismus geprägte Rumänien, um nach einem kurzen Zwischenaufenthalt in Wien 1948 (Bekanntschaft mit Ingeborg Bachmann) endgültig in Paris zu bleiben. Hier lernte er Claire und Ivan Goll kennen. In Paris betrieb Celan germanistische bzw. linguistische Studien und war anschließend an der École Normale Supérieure als Deutschlektor tätig. Während dieser Zeit übersetzte er u. a. Werke von Arthur Rimbaud, Aleksandr Blok, Ossip Emiljewitsch Mandelstam, Sergej Jessenin und William Shakespeare jeweils aus der Originalsprache kongenial ins Deutsche. Im Herbst 1969 reiste Celan nach Israel. Um den 20. April 1970 herum nahm er sich in Paris das Leben. 1958 wurde Celan mit dem Literaturpreis der Freien Hansestadt Bremen, 1960 mit dem Georg-Büchner-Preis und 1964 mit dem Großen Kunstpreis des Landes Nordrhein-Westfalen ausgezeichnet.Werk
Bereits während seiner Schulzeit beschäftigte sich Celan, der als 17-jähriger mit dem Schreiben begann, ausführlich mit der Lyrik Friedrich Hölderlins, Rainer Maria Rilkes und des französischen Symbolismus. Seine eigene frühe, dunkel-elegische Dichtung steht unter dem Einfluss des Surrealismus, dessen rumänischer Sektion er zeitweilig nahestand, und verknüpft - in Anlehnung an Mallarmé und Baudelaire - die einzelnen Gedichte vermittels von irritierenden Bezügen und Metaphern zu komplexen "Sprachgittern" (Sprachgitter lautet auch der Titel eines Bandes von 1959).
Neben Neologismen werden zahlreiche biblische Motive sowie das gesamte Repertoire des Poesiebestands verfremdet wieder aufgegriffen. Die Sprachproblematik gerät zum wichtigen Thema: Zahlreiche der Gedichte Celans spielen mit der in der Romantik kultivierten Form des Fragments und versuchen, die "Schwelle" zwischen Sagbarem und Unsagbarem präzis auszuloten (Von Schwelle zu Schwelle, 1955). Ausgangspunkt hierbei ist das vom Propagandaapparat des Nationalsozialismus "umhurte Wort", dem der Dichter als Akt des Protests "das erschwiegene Wort" entgegenstellt. So soll den "tausend Finsternissen todbringender Rede" begegnet werden.
Zu Celans Werk gehören die Lyrikbände Der Sand aus den Urnen (1948), Die Niemandsrose (1963), Atemwende (1967), Fadensonnen (1968), Lichtzwang (1970), Schneepart (1971), Zeitgehöft (1976) sowie der Prosatext Der Meridian (1961). Darüber hinaus schrieb er das an Georg Büchners Lenz-Erzählung gemahnende Gespräch im Gebirg (1960). Mohn und Gedächtnis von 1952 enthält Celans bekanntestes Gedicht "Todesfuge" (1948), das sich in kryptischen Chiffren mit der Massenvernichtung der Juden während der Zeit des Nationalsozialismus auseinandersetzt und sich damit dem berühmten - und oftmals fehlinterpretierten - Diktum Theodor W. Adornos entgegenstellt, dass nach der Erfahrung von Auschwitz in Deutschland kein Gedicht mehr geschrieben werden könne.
Auch zeigt gerade die "Todesfuge", dass Celan keineswegs den abgeschlossenen Bildbereich eines surrealen Kosmos anstrebte, sondern konkret Zeitgeschichte (und eigenes Erleben) zu verarbeiten sucht. Literatur bedeutet das "scharfe Messer" zur Erfassung historischer Grausamkeiten. In seiner Dankesrede zur Verleihung des Bremer Literaturpreises 1958 hat Celan sein poetologisches Selbstverständnis dementsprechend als eines charakterisiert, das "wirklichkeitswund und Wirklichkeit suchend" sei. Im Spätwerk dann wird Celans virtuose Dichtung zunehmend hermetischer, die Bildwelt immer undurchdringlicher. Das Ich-Du-Verhältnis zwischen Text und Welt bzw. Leser ("Das Gedicht will zu einem Andern") weicht letztlich einer lyrisch-melancholischen Einsamkeit: "Klopf die / Lichtkeile weg: / das schwimmende Wort / hat der Dämmer".
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