"Reichskristallnacht"


Zynisch verharmlosende Bezeichnung der NS-Propaganda für das groß angelegte Pogrom gegen die jüdischen Mitbürger in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 (Drittes Reich). Der angeblich dem entfesselten Volkszorn entspringende Angriff auf jüdische Geschäfte, Privathäuser und Synagogen war in Wahrheit eine von NSDAP und SA durchorganisierte Aktion, bei der keineswegs nur die Fensterscheiben von über 7000 jüdischen Geschäften, 29 Warenhäusern und beinahe sämtlichen Synagogen (265) zerstört wurden (wie der Begriff Kristallnacht suggeriert) - zahlreiche Gebäude waren nach der Gewaltnacht abbruchreif. Die durch die Straßen tobenden, u. a. mit Brandsätzen bewaffneten Nationalsozialisten ermordeten zudem im Verlauf der Nacht 91 Menschen. Zum äußeren Vorwand für die Gewaltaktion war das Attentat auf den Sekretär der deutschen Botschaft in Paris, Ernst Euard vom Rath, durch Herrschel Grynspan am 7. November genommen worden. Im Anschluss an die Pogromnacht wurden etwa 30.000 Juden vorübergehend in Konzentrationslagern interniert und eine kollektive Sondersteuer in Höhe von über einer Milliarde Reichsmark erhoben, die von den jüdischen Bürgern zu zahlen war. Die Reichskristallnacht bildete den signalkräftigen Auftakt zu den systematischen Maßnahmen der Judenverfolgung und -vernichtung (Holocaust) in Deutschland und den im Verlauf des 2. Weltkrieges eroberten Nachbarländern, die bereits kurz darauf einsetzten. Zahlreiche Juden verließen - wie von den Nationalsozialisten anfänglich noch gewünscht - das für sie unbewohnbar gewordene Land - meist in Richtung Amerika oder Palästina. Viele andere blieben und wurden so schließlich Opfer der euphemistisch als Endlösung beschriebenen Ausrottungsstrategie.